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H.B. Jensen: Vom Kolonialwarenladen zum „Schweizer Taschenmesser“ der Insel

Wenn wir heute durch die Westerländer Friedrichstraße flanieren, sehen wir ein modernes Modehaus. Doch wer schon ein paar Jahrzehnte länger auf Sylt lebt, der weiß: H.B. Jensen war früher viel mehr als das. Es war unser „Schweizer Taschenmesser“. Werfen wir einen Blick zurück auf eine Ära, in der dieses Haus das pulsierende Herz des Sylter Alltags war.
Die Anfänge: Als Westerland noch ein Dorf war
Alles begann im Jahr 1855, als Westerland gerade zum Seebad ernannt wurde und nur etwa 500 Einwohner zählte. Hans Boy Jensen eröffnete damals in der Stadumstraße einen Kolonialwarenladen. Es war eine Revolution für die Insulaner, die für ihre Besorgungen plötzlich nicht mehr mühsam aufs Festland fahren mussten. Nach dem Tod des Gründers übernahm 1901 der tüchtige Kaufmann Friedrich Alwart das Ruder und erkannte das Potenzial der zentralen Lage an der Ecke Friedrichstraße/Maybachstraße, wo er 1907 das heutige Stammhaus errichtete.
Das „Schweizer Taschenmesser“ und die gute Seele Uwe Alwart
Besonders in den 90er Jahren war H.B. Jensen für uns Sylter der Treffpunkt schlechthin. Im Untergeschoss gab es Lebensmittel glaube ich, und oben im ersten Stockwerk befand sich die legendäre Kantine. Für kleines Geld konnte man dort hervorragend essen. Ich fing dort im Jahre 1990 an zu arbeiten. Für einige Monate, den Sommer lang, bis mich das Schicksal für ein paar Jahre von der Insel trieb.
Geleitet wurde das Haus damals von Uwe Alwart, der 1958 die Nachfolge antrat. Er war ein Chef der alten Schule – im besten Sinne. Er war ein überaus gutmütiger Mann, der bei seinen Mitarbeitern und Kunden höchste Wertschätzung genoss. Irgendwann rief mich der alte Herr in sein Büro. Er fragte mich: „Sind sie verwandt mit dem Fußballer beim TSV?“ Ich sagte: „Ja, das bin ich.“ Von diesem Tag an durfte ich am Samstag immer früher Feierabend machen oder bekam Frei wann ich wollte… Diese Menschlichkeit prägte das Klima im ganzen Haus.
Ein Logistik-Wunder mit gefährlichen Versuchungen
Die Versorgung des Kaufhauses war eine logistische Meisterleistung: Ein großes Lager auf der gegenüberliegenden Straßenseite belieferte das Hauptgebäude ständig mit Nachschub. Von Eisenwaren über Kleidung bis hin zu Delikatessen – es gab nichts, was es bei Jensen nicht gab.
Und dann war da noch eine ganz besondere Eigenheit: Wer knapp bei Kasse war, konnte einfach zur Anmeldung gehen und sich dort einen Bargeldvorschuss auszahlen lassen. Für uns Jüngere war das im Sommer eine eher „doofe“ Idee – die Verlockung war groß, das Geld direkt in die Sylter Sommernächte zu investieren, nur um am Monatsende festzustellen, dass vom Lohn kaum noch etwas übrig war.
Von der Aluminiumfassade zum modernen Modehaus
Architektonisch setzte das Haus immer wieder Maßstäbe. 1969 erhielt das Gebäude eine für ganz Deutschland einzigartige Aluminium-Fassade, die das Gesicht Westerlands über Jahrzehnte prägte. Erst im Jahr 2013 wurde das Haus in seinen heutigen, modernen Stil umgebaut, nachdem Oliver Boettiger im Jahr 2000 die Geschäftsführung in dritter Generation übernommen hatte. Der Geist den Uwe Alwart damals im Haus erwachen ließ, gilt auch heute noch. H.B Jensen ist für die Mitarbeiter nicht nur eine Firma, sondern ein große Familie.
H.B. Jensen ist heute ein modernes Modehaus, doch in unseren Erinnerungen bleibt es das Kaufhaus, in dem man alles bekam, in der Kantine zusammenkam und in dem ein Chef wie Uwe Alwart das Menschliche über das Geschäftliche stellte. Ein wahres Stück Inselgeschichte.





















































































































