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Weihnachten auf Sylt – Austern, Autos, Atemnot: Der 14-Uhr-Countdown am Heiligabend

Das besinnliche Fest nähert sich der Insel mit der Geschwindigkeit einer aufziehenden Sturmflut, und während der Wind um die Reetdächer pfeift, stellt sich für viele die alles entscheidende Frage nach dem passenden Präsent. Auf Sylt gelten dabei ganz eigene Gesetze, besonders was die Zeitplanung betrifft. Wer am Heiligabend noch mit leeren Händen dasteht, muss nicht verzagen, sollte aber den Wecker stellen. Die meisten Geschäfte öffnen an diesem Tag spätestens um 10 Uhr ihre Pforten, um den letzten Suchenden eine Zuflucht zu bieten. Doch man sollte sich sputen: Wenn um 14 Uhr die Glocken läuten, werden die Schotten dichtgemacht, und die Insel versinkt in ihrer wohlverdienten weihnachtlichen Ruhe, bevor am zweiten Feiertag das muntere Treiben dank der Bäderregelung ab 11 Uhr wieder von vorn beginnt.
Sollte das Bankkonto so prall gefüllt sein wie der Strand von Westerland im Hochsommer, eröffnen sich auf der Insel Möglichkeiten, die weit über den klassischen Kaschmirschal hinausgehen. In einer Welt, in der Geld lediglich eine Zahl ist, mutiert das Schenken zur hohen Kunst des Absurden. Man könnte beispielsweise in Erwägung ziehen, bei einem der renommierten Juweliere in Kampen ein handgefertigtes Hundehalsband zu ordern, das mit so vielen Brillanten besetzt ist, dass der geliebte Vierbeiner bei der Gassirunde am Flutsaum kleine Regenbögen in den Dünensand wirft. Oder wie wäre es mit einer lebensgroßen Bronzestatue einer Kegelrobbe für den heimischen Garten, die per Hubschrauber direkt aus einer der exklusiven Galerien eingeflogen wird, weil der herkömmliche Lieferweg über den Hindenburgdamm für ein solches Unikat schlichtweg zu profan wäre?
Für den passionierten Sammler, der schon alles besitzt, bietet sich die Anschaffung eines jahrzehntealten, im Keller eines Spitzenrestaurants gereiften Weines an, dessen Preis pro Glas den Wert eines soliden Mittelklassewagens erreicht. Man trinkt hier nicht einfach nur vergorenen Traubensaft, sondern flüssige Geschichte, während man durch ein eigens für die Bescherung gemietetes Teleskop den Sternenhimmel über dem List-Ost-Leuer beobachtet. Wer es noch eine Spur exzentrischer mag, investiert in eine maßgeschneiderte Strandmuschel aus edelstem Teakholz und wetterfestem Leder, die im Inneren über eine integrierte Fußbodenheizung und einen Satellitenanschluss verfügt, damit man selbst beim winterlichen Picknick am Ellenbogen nicht auf den Live-Stream der Wiener Philharmoniker verzichten muss.
Inmitten all dieses glitzernden Überflusses bleibt Sylt jedoch ein Ort, der trotz seiner Liebe zum Luxus eine tiefe Herzlichkeit bewahrt. Es ist der Charme der Insel, dass man zwischen Kaviar und Kitsch immer noch das ehrliche Lächeln der Menschen findet, die hinter den Ladentheken stehen. Ob man nun ein Millionen-Geschenk im Kofferraum verstaut oder nur eine kleine Tüte handgemachten Friesen-Fudge in den Händen hält – am Ende eint alle das gleiche Gefühl: die Gewissheit, dass ein Heiligabend zwischen Watt und Wellen durch kein Geld der Welt zu ersetzen ist.





















































































































