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Tsunami auf Sylt? – Eine Nacht an der Buhne 16
Eine kleine Geschichte, die eigentlich in ein Buch über die Insel sollte. Passt aber inhaltlich nicht. Deshalb hier etwas zum Schmökern oder zum Zuhören
Buhne 16. Eigentlich kein Ort, an dem wir normalerweise verkehren. Der Weg vom Parkplatz ist einfach zu lang, mit all den Surfbrettern. Dazu der Bollerwagen und die Kids, die zu der Zeit noch sehr klein waren. Die wurden kurzerhand getragen, und die sperrigen Boards auf den Wagen verfrachtet.
Am Strand angekommen, wurden wir mit einem abschätzenden Blick begutachtet. Was wollen die Hippies denn hier? Doch wir waren eigentlich gar nicht gekommen, um eine wilde Party zu feiern. Es ging darum, ein wenig zu paddeln, zu grillen und dann – nach ein, zwei Wein oder Bier – am Strand zu schlafen. Es herrschte ein leichter Ostwind vor, die Nordsee gluckste, die ein oder andere kniehohe Welle an Land. Keiner konnte ahnen, was uns passieren würde.
Tsumami auf Sylt? – Gewitter am Horizont
Als die Sonne untergegangen war, drehte der Wind ganz leicht ein, und am Horizont begann ein magisches Wetterleuchten. Es waren Gewitter, die sich weit vor der Küste austobten. Das Rumpeln des Donners konnten wir nur erahnen. Mit dem aufkommenden Westwind zogen ein paar Regenwolken heran, und es wurde ein wenig frischer. Wir waren mittlerweile müde, es muss nach Mitternacht gewesen sein. Jeder suchte sich einen Unterschlupf. Strandkörbe wurden als Regenschutz umgestellt, und der ein oder andere kroch unter die Boote, die die Makrelenangler dort haben liegen lassen. Wir schliefen mit dem leichten Geprassel des Regens auf die geflochtenen Strandkörbe ein.
Ein Schrei, gefolgt von einem näher kommenden Rauschen, ließ mich kurz aufschrecken, dann weiterschlafen. Am nächsten Morgen sahen wir, was passiert war. Dort, wo gestern noch staubiger Sand lag, war dieser weggewaschen. Die Flutkante endete einen oder zwei Meter vor den Strandkörben. Aber das Wasser war wieder mehr als zwanzig Meter weg. Eigentlich kein großes Phänomen. Allerdings war Vollflut. Das heißt, das Wasser ist während der Ebbe erheblich gestiegen und dann wie von Geisterhand bei Flut wieder verschwunden. Was war passiert?
Offensichtlich haben in der Nacht hohe Wellen die Insel erreicht. Dies erklärte auch das Geschrei der nachtbadenden Menschen ein paar Meter weiter südlich. Doch wie kam dies zustande?
Gibt es wirklich Tsunamis in der Nordsee?
Wissenschaftler halten dies für ausgeschlossen. Die Geographie der Nordsee dürfte Tsunamis ausschließen. Die Nordsee ist zu flach, und es gibt keine Erdbeben in unserer Region. Und doch, im Jahre 1858 soll es an einem warmen Sommertag drei gewaltige Wellen gegeben haben. Sechs Meter hoch – Fischerboote wurden in die Dünen gespült, und die Fischer retteten sich mit einem energischen Sprint in die Dünen das Leben. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass es vor Portugal zu dieser Zeit einen Erdrutsch gab, und die meterhohen Wellen nacheinander die Anrainerländer getroffen haben. Bei uns kamen sie dann in der abgeschwächten Version an.
Was uns allerdings 2014 so einen Schrecken eingejagt hatte, habe ich bis heute nicht herausgefunden. Es kann sein, dass die auf See tobenden Unwetter für eine hohe Dünung gesorgt haben und diese Richtung Sylt gelenkt haben.
So ist vielleicht ein Seebär entstanden. Geformt aus den drei Schwestern, drei kleineren Wellen, die sich dann Richtung Sylt zu einer großen zusammengeschlossen haben. Die See steckt voller Überraschungen. Der Seebär ist so einer. Die wissenschaftliche Bezeichnung ist Meteotsunami. Man geht von der Verballhornung des niederdeutschen boeren (heben) aus. Er entsteht durch hohe Luftdruckschwankungen. Eben jener, wie wir sie erlebt haben. Die Meteo-Tsunamis sind gefährlich: Sie lösen sich von der Schlechtwetterfront und laufen unabhängig von ihr weiter.
Das Gute ist, dass Meteo-Tsunamis, so häufig sie vorkommen, den Pegel immer nur ein paar Zentimeter anheben. Manchmal werden sie jedoch höher. Der, der uns fast erreicht hatte, war vielleicht auch nur 1,50 Meter hoch. Keine wirkliche Gefahr. Aber im Nachhinein recht unheimlich.
Also: Keine Panik. Weder geht Sylt in den nächsten 50 Jahren unter, noch gibt es Tsunamis, die die Insel bedrohen…
Photocredit geht an Yakow Oskanov