Sport
Von versalzenen Orangen und Toren im Sylt Stadion

Nach den Wirren des Zweiten Weltkriegs wandelte sich Sylt grundlegend: Viele Menschen, die ihre Heimat verloren hatten, fanden auf der Insel ein neues Zuhause. Die ersten Jahre waren von Not und Improvisation geprägt – der Alltag war hart, und viele kleine Geschichten aus dieser Zeit drohen heute in Vergessenheit zu geraten. Wer erinnert sich noch daran, wie Kinder an den Stränden nach angespülten Überraschungen suchten? Ein besonderes Erlebnis war das Auftauchen von Orangenkisten am Ufer – die Freude über die exotischen Früchte war groß, doch das Meerwasser hatte sie ungenießbar gemacht.
Inmitten dieser schwierigen Zeit wurde der Fußball für viele zum Lichtblick. Schon als Jugendlicher entdeckte Walter Meyerhoff seine Leidenschaft für das Spiel. Anfangs gab es kaum richtige Ausrüstung, gespielt wurde in alten Schuhen, und zu den Spielen in andere Dörfer radelte man gemeinsam. Die britischen Soldaten, die damals auf der Insel stationiert waren, unterstützten die Kinder manchmal mit kleinen Gaben und teilten ihre Begeisterung für den Fußball. Das Foto zeigt das Team des FC Süd-West 2. Dies war der Vorläufer der Fußballabeilung des TSV Westerland um 1950.
Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der 1960er Jahre veränderte sich auch das sportliche Leben auf Sylt. Der TSV Westerland entwickelte sich zu einer festen Größe im regionalen Fußball. Neue Sponsoren und engagierte Geschäftsleute brachten frischen Wind, und immer mehr Zuschauer fanden den Weg zu den Spielen. Freundschaftsspiele gegen große Vereine sorgten für Begeisterung und halfen, neue Talente auf die Insel zu holen.
Ein Meilenstein war der Aufstieg in die Verbandsliga und der Gewinn des schleswig-holsteinischen Pokals. Besonders in Erinnerung bleibt das DFB-Pokalspiel gegen Borussia Dortmund, das für die Sylter ein echtes Fußballfest wurde. Auch wenn die Mannschaft am Ende unterlag, war allein die Teilnahme ein riesiger Erfolg.
Anfang der 1970er Jahre sorgte eine besondere Mannschaft für Furore, die in der Presse als „Legionärstruppe“ bezeichnet wurde. Diese Mannschaft setzte sich aus einheimischen Spielern und gezielt verpflichteten Fußballern von außerhalb zusammen. Mit dieser Mischung gelang dem TSV Westerland der Sprung in die Landesliga, und in der Saison 1970/71 wurde das Team sogar Vizemeister. Damit qualifizierte sich die Mannschaft für die Aufstiegsrunde zur Regionalliga Nord – ein sportlicher Höhepunkt, der auf der Insel für große Begeisterung sorgte. Beinahe wäre man in die zweite Liga aufgestiegen. Das mißlang, doch besonders der Sieg gegen den VfL Pinneberg zeigte, dass die Sylter auch mit den besten Teams Norddeutschlands mithalten konnten.
Die Heimspiele auf dem Bastianplatz wurden zu echten Großereignissen, bei denen Hunderte von Zuschauern die Mannschaft anfeuerten. Die Atmosphäre war einzigartig, und der TSV Westerland schrieb in diesen Jahren ein kleines Stück Inselgeschichte. Auch wenn der große Sprung in die Regionalliga nicht gelang, bleibt die Zeit der Legionärsmannschaft unvergessen: Sie brachte Sylt sportlichen Ruhm, sorgte für volle Zuschauerränge und machte die Insel für kurze Zeit zum Mittelpunkt des schleswig-holsteinischen Fußballs.
Heute erinnern sich nur noch wenige an diese goldene Ära, doch die Geschichten und Erfolge jener Jahre leben in den Erinnerungen der Beteiligten weiter. Die Leidenschaft und der Zusammenhalt von damals sind bis heute spürbar – und vielleicht wird eines Tages eine neue Generation an diese besonderen Zeiten anknüpfen.