Sylt News
Sturmflut Sylt: Der Orkan der Apokalypse… oder doch nur eine steife Brise?

Die Schlagzeilen auf dem Festland schreiben sich quasi von selbst. Man kann sie schon vor dem geistigen Auge sehen, in fetten Lettern, die einem direkt ins Gesicht springen: „HURRIKAN-RESTE ZERREISSEN SYLT!“, „MONSTER-STURM RAST AUF URLAUBS-INSEL ZU!“, „APOKALYPSE-PEITSCHE ÜBER DER NORDSEE!“ Ein Raunen geht durch die Redaktionen, die Reporter wetzen die Stifte, die Kameras werden in Regenschutzfolie gewickelt. Es braut sich was zusammen.
Und tatsächlich, die Wetterkarten für das Wochenende sehen, nun ja, ungemütlich aus. Ein Sturmtief, das sich an der Energie eines Ex-Hurrikans labte, schiebt sich bedrohlich in die Deutsche Bucht. Am Samstagmorgen sollen Böen von bis zu 51 Knoten über die Insel peitschen. Das sind 94 Kilometer pro Stunde! Der Wind wird heulen, die Wellen werden auf über zwei Meter anwachsen und mit Wucht gegen die Dünen donnern. Das Wasser, so die Prognose, wird am Sonntagmittag auf 2,7 Meter ansteigen. Die Insel hält den Atem an. Touristen verbarrikadieren sich in ihren Ferienwohnungen, der letzte Grünkohl im Supermarkt wird zur heiß umkämpften Trophäe. Ist das das Ende? Werden wir Zeugen, wie Westerland vom Meer verschluckt wird?
Moment mal. Stopp.
Schalten wir mal kurz den Panik-Modus der Online-Ticker aus und die eingebaute Friesen-Nüchternheit an. Ein schwerer Sturm? Ja, absolut. Grund für Respekt und dafür, den Spaziergang an der Abbruchkante ausfallen zu lassen? Unbedingt. Aber eine Apokalypse?
Lassen Sie uns unserem aktuellen Kandidaten, nennen wir ihn liebevoll „Humbertchen“, einen echten, altgedienten Profi gegenüberstellen. Einen Sturm, bei dessen Namen erfahrene Küstenschützer heute noch anerkennend mit der Zunge schnalzen: Orkan „Xaver“ vom Dezember 2013.
„Humbertchen“ schafft es in seinen stärksten Momenten auf sportliche 94 km/h. Das reicht, um einem die Mütze vom Kopf und den Schaum vom Cappuccino zu pusten. Aber „Xaver“, der alte Raufbold, lacht darüber nur müde. Er schlug damals mit fast 160 km/h auf die Insel ein. Das ist nicht nur eine andere Liga; das ist eine komplett andere Sportart. Das eine ist ein ambitionierter Kreisliga-Stürmer, das andere ist der Endgegner im Champions-League-Finale.
Und das Wasser? Unser aktueller Sturm drückt die Flut auf 2,7 Meter über Normalnull. Das bedeutet, das Wasser kommt ein bisschen höher als sonst, holt sich vielleicht ein paar Quadratmeter vom Strand und sorgt für nasse Füße an den tiefsten Stellen der Promenade. Unschön, aber beherrschbar.
„Xaver“ hingegen war nicht da, um zu spielen. Er drückte das Wasser drei bis vier Meter HÖHER als ein normales Hochwasser. Er hat nicht nur am Strand geknabbert. Er stand vor den Deichen, hat an den Türen der Sansibar gekratzt und ganze Dünenabschnitte als Souvenir mitgenommen. Das war keine Sturmflut, das war ein Umdekorieren der Insel im großen Stil.
Während also auf dem Festland schon die Sondersendungen für „Brennpunkt: Sylt kämpft ums Überleben“ geplant werden, zündet der Insulaner den Kamin an, gießt sich einen Pharisäer ein und denkt sich: „Ach, guck, der Wind kommt aus Westen. Ziehen wir die Gartenmöbel mal lieber rein.“
JJa, es wird stürmisch. Ja, es wird ungemütlich. Und ja, man sollte die Kraft der Nordsee niemals unterschätzen. Aber bevor die Reporter in Gummistiefeln von der „Sturm-Hölle auf Sylt“ berichten, sollten sie vielleicht mal einen alten Seebären fragen, was ein richtiger Sturm ist. Die Antwort könnte sie ernüchtern. Aber hey, eine gute Schlagzeile war eben schon immer wichtiger als ein entspannter Puls.
- Die Schlagzeilen auf dem Festland schreiben sich quasi von selbst. Man kann sie schon vor dem geistigen Auge sehen, in fetten Lettern, die einem direkt ins Gesicht springen: „HURRIKAN-RESTE ZERREISSEN SYLT!“, „MONSTER-STURM RAST AUF URLAUBS-INSEL ZU!“, „APOKALYPSE-PEITSCHE ÜBER DER NORDSEE!“ Ein Raunen geht durch die Redaktionen, die Reporter wetzen die Stifte, die Kameras werden in Regenschutzfolie gewickelt. Es braut sich was zusammen.
- Ähnliche Beiträge: