Inselköpfe
Gute Reise Jo Bohnsack.
Der legendäre Sylter Pianist Jo Bohnsack ist gestorben. Ein Nachruf von Axel Link.
„Man wird so gestreichelt von dem Klang“, sagt Jo und fliegt mit seiner linken Hand verliebt über die Tasten seines Steinway-Flügels in seinem Wohnzimmer. Mit ungeheurer Leichtigkeit entlockt er dem sündhaft teuren Instrument eine Kaskade von Tönen, die sofort ins Herz des Zuhörers vorstoßen. Wow – der kann’s. Eigentlich ist es gar nicht sein Steinway-Flügel und auch nicht wirklich sein Wohnzimmer. Das wertvolle Instrument steht im alten Kursaal in Westerland, und der Mensch, der am häufigsten die kunstvollen weißen und schwarzen Tasten bearbeitete, war der „Steinway Artist“ Jo Bohnsack. 1978 trat Jo zum ersten Mal im alten Kursaal auf – damals in Begleitung des Schlagzeugers Werner Dressen – und danach regelmäßig. Er spielte gerne in seinem „Wohnzimmer“ und hämmerte gut gelaunt seine Töne in den Kursaal, der oft randgefüllt war mit Fans, die eines seiner legendären Boogie-Woogie-Konzerte miterleben wollten. Seine „bluesige, mit Salzwasser gespülte“ Stimme war grandios, seine mitreißende Art ansteckend. Nun ist die einzigartige Stimme verstummt. Der Steinway im alten Kursaal ist verwaist, und viele Sylter und Fans sind tieftraurig. Jo Bohnsack ist nach schwerer Krankheit im Alter von nur 64 Jahren in Westerland gestorben. Farewell, lieber Jo.
Der gebürtige Sylter Jo Bohnsack galt als einer der besten zeitgenössischen Boogie- und Blues-Pianisten. Bereits als Achtjähriger lernte er Klavier spielen. In seinem Zimmer stand das Instrument, das ihn am meisten faszinierte. Und Western mochte er auch. Die typische Ragtime-Musik inspirierte ihn, und er malträtierte die Hämmer und Saiten seines Klaviers mit Reißzwecken und Pergamentpapier, um den typischen Ragtime-Sound zu imitieren. Schlecht für das Klavier, gut für die Fantasie des jungen Jo, den die Liebe zur Musik nie wieder losließ. Nach dem Abitur studierte Jo Musik an der Hochschule in Hamburg mit dem Hauptfach Klavier. Und als Sohn eines Lehrers (sein Vater war Lehrer in Westerland) studierte er sicherheitshalber noch auf Lehramt in Musik und Französisch. Brotlos war seine Kunst aber nie. In jungen Jahren verdingte er sich als Barpianist in der Pianobar in Westerland und bei „Muffel“ im Kampener Dorfkrug.
Schon als Jugendlicher lernte Jo Bohnsack auf Sylt seinen Lehrmeister Champion Jack Dupree kennen, mit dem er später ausgiebig tourte und zwei CDs auf der Insel produzierte. Aber auch Fats Domino und Ray Charles beeinflussten ihn – mit dem großartigen B.B. King und vielen anderen Stars war Jo Bohnsack auf Tournee.
Mit Glanz in den Augen erzählte Jo in einem seiner TV-Auftritte bei SYLT1, dass er bei einem Jazzfestival in Italien einmal nach Miles Davis auftreten durfte. Erst Miles Davis, dann Jo Bohnsack. Hammer.
In einer großen TV-Sendung in Mexiko zeigte Jo sein Können am Klavier, und überhaupt war er in der Boogie-Woogie-Szene eine anerkannte Größe. Montreux, Den Haag, Umbrien – Jo tingelte durch die Welt, spielte aber am liebsten zu Hause. Seine größte Liebe und seine größte Bühne war seine Heimatinsel Sylt. Anstatt weiter in die Welt zu ziehen, lud er einfach Gäste in sein „Wohnzimmer“ ein. Axel Zwingenberger, David Kaplan oder der jüngere Bruder von Mick Jagger waren regelmäßige Gäste auf Sylt.
Legendär waren seine spontanen Konzerte in Strandnähe. Wenn es kein Klavier gab, brachte er eins mit. Klavier auf Rollbrett und los ging’s – eine Spezialität des Enthusiasten. So lernte ich Jo auch kennen, vor rund 30 Jahren. Da schob er sein Klavier vor den ehemaligen Kursaal in Wenningstedt, ich schob ein bisschen mit, und dann spielte er – einfach so. Und die Traube um den gut gelaunten jungen Mann am Klavier wurde immer größer. Jo hatte seine Fans. Seine gute Laune, gepaart mit seiner großen Spielkunst, wirkte ansteckend. Toll. In den letzten Jahren spielte Jo auch gerne in der Friesenkapelle. „Boogie in the Church“ – auch ein Knaller. Immer volles Haus und gute Laune.
Lebenslustig war er, der Jo. Auch mit 60 Jahren noch musikalischer Berufsjugendlicher. Stets gut gelaunt – einem Plausch und einem Getränk nie abgeneigt. Nicht alles in seinem Leben hat funktioniert – und doch hat er Dinge erreicht, die andere, bei denen scheinbar alles im Leben klappt, vielleicht nie erreichen werden. Jo hat Menschen, Herzen und Seelen berührt. So wie er war. Ich hoffe, im Himmel steht ein Klavier. Und dann triffst du sicher auch deinen alten Freund Champion Jack Dupree wieder – und Miles Davis ist ja auch schon da. Danke, Jo, und gute Reise.