Sylt News
Das Erbe der Inselbahn auf Sylt 1888 – 1970

In ihrer Geschichte beförderte die Inselbahn rund 30 Millionen Fahrgäste. Heute wurden viele der alten Trassen in Fahrradwege umgewandelt. Am Westerländer Bahnhof erinnert ein Denkmal an diese Zeit. Die Achsen dieses Denkmals wurden kürzlich von den Auszubildenden Elina Faierson und Lasse Harksen restauriert und bewahren so ein Stück Inselgeschichte. Nostalgie kommt auf, wenn der blaue Borgward BO 4000 über die Insel fährt – fünf solcher umgerüsteter Zugmaschinen zogen einst die legendäre Bahn. Mit diesem Oldtimer werden heute noch Inselrundfahrten angeboten.
In der Wochenshow gibt es ein paar Bilder zu den restaurierten Achsen…
Die Entdeckung der Langsamkeit: Die Geschichte der Sylter Inselbahn
Die Anreise und das Fortbewegen auf Sylt waren Ende des 19. Jahrhunderts eine beschwerliche Angelegenheit. Wer es vom Festland nach Munkmarsch geschafft hatte, musste eine lange Fahrt mit der Pferdekutsche zum Zielort in Kauf nehmen. Diese Zustände erkannten umsichtige Pioniere, die die Insel nachhaltig verändern sollten.
Drei Visionäre, drei Bahnstrecken
Den Anfang machte Dr. Adrian Pollacsek, der 1888 die Konzession für die erste Inselbahn erhielt. In nur sieben Wochen wurde die 4,2 Kilometer lange “Ostbahn” von Munkmarsch nach Westerland erbaut. Sie verkürzte die Reisezeit von einer Stunde auf nur zwölf Minuten. Nach diesem Vorbild folgte 1901 der Reeder Albert Ballin mit der 14,5 Kilometer langen “Südbahn” nach Hörnum, die Haltestellen in Puan Klent und Rantum hatte. Ab 1903 wurde schließlich auch der Norden durch die “Nordbahn” von Emil Kuhrt erschlossen.
Eine besondere Anekdote rankt sich um den Bau der Nordbahn: Der Wenningstedter Landbesitzer Karl Siemens war bereit, sein damals noch wertloses Heideland abzugeben. Statt Geld forderte er jedoch ein lebenslanges Fahrrecht in der ersten Klasse. Dieses nutzte er weidlich und fuhr oft in Gummistiefeln und Friesennerz in den bequemen Abteilen. Eines Tages während des Ersten Weltkriegs stieß ein hoher Offizier auf den ungewöhnlichen Passagier und fragte ihn, ob er einen Fahrschein erster Klasse habe. Der selbstbewusste Sylter antwortete prompt: „Sind Sie der neue Schaffner?”.
Blütezeit und liebenswerte Eigenheiten
Die Bahn, die mit maximal 30 km/h über die Insel dampfte, wurde liebevoll verspottet (“Blumen pflücken während der Fahrt verboten”) und doch sehr geschätzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte sie einen Boom mit über 700.000 Fahrgästen pro Jahr, wovon viele Insulaner waren. Im Sommer gab es bis zu fünfzehn Verbindungen täglich zwischen Westerland und List. Das Leben auf den Schienen hatte seine Eigenheiten: So musste im Bereich der Vogelkoje bei Kampen während der Fangzeit das Pfeifen unterlassen werden. Eine Zeitlang war der prominenteste Fahrgast die Ziege des Lokführers, die auf dem Weg nach Kampen mitfuhr, dort zum Grasen angebunden und auf der Rückfahrt wieder eingesammelt wurde. Manchmal mussten sogar alle Passagiere aussteigen, um die Gleise von Sandverwehungen zu befreien.
Der Anfang vom Ende der Inselbahn auf Sylt
Der Bau der ersten Straße zwischen Hörnum und Westerland 1951 läutete das Ende der Inselbahn ein. Obwohl von Dampfloks auf modernere Schienenbusse umgerüstet wurde, war der Siegeszug des Autos unaufhaltsam. In den 1960er Jahren verlor die Bahn ein Drittel ihrer Fahrgäste, obwohl die Touristenzahlen auf Sylt stiegen. Die rauen klimatischen Bedingungen und hohe Kosten für den Erhalt des Schienennetzes taten ihr Übriges. Öffentliche Zuschüsse blieben aus. Am 29. Dezember 1970 stellte die von Ruy Prahl geführte Sylter Verkehrsgesellschaft (SVG) den Betrieb ein. Der “Dünenexpress tat letzten Schnaufer”, wie die Sylter Rundschau kommentierte.