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Sylt – Hat sich die Anzahl der Waltstrandungen vermehrt?

Das Stranden von Walen ist ein seit Jahrhunderten bekanntes Naturphänomen, dessen Ursachen jedoch in der modernen Welt durch menschliche Einflüsse immer komplexer werden. Historische Aufzeichnungen belegen, dass es sich hierbei um kein neues Ereignis handelt. So wurde beispielsweise in Portugal bereits im 16. Jahrhundert die Strandung eines großen Wals dokumentiert, und aus dem niederländischen Ter Heijde ist ein solches Ereignis aus dem Jahr 1577 überliefert. In Großbritannien begann die systematische Erfassung gestrandeter Meeressäuger sogar schon im Jahr 1913. Diese Belege zeigen, dass Wale schon lange vor dem Industriezeitalter an den Küsten verendeten.
Die Gründe für dieses Verhalten sind vielfältig und oft natürlichen Ursprungs. Häufig stranden Tiere, weil sie krank, alt oder verletzt sind und im flachen Wasser leichter atmen können. Auch Navigationsfehler spielen eine Rolle, da flache Küsten mit weichem Untergrund das Echolot der Wale stören können. Manche Theorien gehen davon aus, dass Störungen im Erdmagnetfeld, etwa durch Sonnenstürme, die Tiere ebenfalls desorientieren. Bei stark sozial lebenden Arten wie Grindwalen kann es zudem zu Massenstrandungen kommen, wenn die Herde einem kranken oder verwirrten Leittier in die flachen Uferzonen folgt.
Der Schnabelwal, der auf Sylt gestrandet ist und dann erschossen werden musste, war krank und orientierungslos.
In der heutigen Zeit kommen jedoch neue, vom Menschen verursachte Gefahren hinzu, die das Risiko von Strandungen nachweislich erhöhen. Eine der größten Bedrohungen ist die massive Lärmbelästigung unter Wasser. Insbesondere der Einsatz von militärischem Sonar und seismischen Untersuchungen kann bei den Tieren Panik auslösen. Dies führt dazu, dass sie zu schnell an die Oberfläche schießen, was zu Verletzungen ähnlich der Taucherkrankheit führen und tödlich enden kann. Eine weitere direkte Gefahr stellen Kollisionen mit Schiffen in stark befahrenen Routen dar. Auch die Fischerei trägt maßgeblich zum Problem bei, da sich viele Wale und Delfine in Netzen verfangen, was als eine der Haupttodesursachen für gestrandete Tiere gilt.
Hinzu kommen die Folgen der Umweltverschmutzung. Verschlucktes Plastik kann zu inneren Verletzungen führen, während chemische Schadstoffe wie PCBs das Immunsystem der Tiere schwächen. Indirekt wirkt sich auch der Klimawandel aus, da sich durch die Erwärmung der Meere die Verteilung der Beutetiere verschiebt. Dies zwingt die Wale in neue, oft küstennähere Jagdgründe, wodurch die Gefahr von Strandungen und schädlichen Interaktionen mit dem Menschen steigt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Walstrandungen zwar ein altes, natürliches Phänomen sind, dessen Ursachen aber durch menschliche Aktivitäten erheblich erweitert wurden. Auch wenn eine generelle Zunahme der Strandungen weltweit schwer nachzuweisen ist, da die Erfassung heute deutlich besser ist als früher, zeigen regionale Studien einen besorgniserregenden Anstieg. Fest steht, dass der menschliche Einfluss eine neue und bedrohliche Dimension zu diesem komplexen Vorgang hinzugefügt hat.