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Der Lanserhof – Oder: Wie man auf Sylt lernt, für sehr viel Geld sehr wenig zu essen, und es zu lieben.

List/Sylt (SPA). Es gibt zwei Arten von Luxus auf dieser Insel. Da ist der laute, der sichtbare Luxus: Die Flasche Champagner, die in Kampen bei Sonnenuntergang geöffnet wird; der Sportwagen, der über den Strönwai knattert; das opulente Seezungenfilet bei Kerzenschein. Das ist das Sylt, das Sie kennen und (vielleicht) lieben.
Und dann, ganz im Norden, versteckt in den Dünen von List, wo die Insel fast schon dänisch wird und der Wind nichts anderes zu tun hat, als den Sand zu sortieren, da liegt die andere Art von Luxus.
Es ist der Lanserhof.
Von außen sieht er aus wie ein Ufo der Superreichen, das sich unter dem größten Reetdach Europas (wirklich, das größte!) vor der Welt versteckt. Architekt Christoph Ingenhoven hat hier ein Meisterwerk des „Duckens“ geschaffen. Es ist ein Gebäude, das nicht „Hier bin ich!“ schreit, sondern flüstert: „Ich bin so exklusiv, du siehst mich kaum.“
Und drinnen, Moin Moin, da passiert Magie. Also, eine sehr spezifische, medizinische, kalorienarme Magie.
Der Gast: Vom „Sehen und Gesehen werden“ zum „Nicht-gesehen-werden“
Wer nach Sylt kommt, will oft eines: Gesehen werden. Wer in den Lanserhof eincheckt, will das genaue Gegenteil. Er will verschwinden.
Der Lanserhof-Gast hat den Champagner-Zirkus von Kampen längst hinter sich gelassen. Er hat alles erreicht, alles gegessen und alles getrunken. Sein Problem ist nicht „Was esse ich heute?“, sondern „Wie werde ich die Sünden der letzten 30 Jahre wieder los und lebe bis 120?“
Hier checkt man nicht für ein Wochenende ein. Man begibt sich in Kur. Der Mindestaufenthalt beträgt sieben Nächte, empfohlen werden 14 oder 21. Das ist kein Urlaub, das ist ein Neustart. Ein „Medical Spa“ auf einem Niveau, auf dem normale Sterbliche nicht mal mehr „Spa“ verstehen.
Das liebevoll-strenge Programm: Die Behandlungen
Was macht man also den ganzen Tag, wenn man nicht am Strand-Bistro „Muscheln-satt“ essen darf? Man wird optimiert. Der Lanserhof ist im Grunde die luxuriöseste Werkstatt der Welt für den menschlichen Körper. Und das „Lanserhof Concept“, basierend auf der F.X.-Mayr-Kur, ist der TÜV.
Und der, so viel sei verraten, fängt beim Darm an.
Hier ein kleiner Auszug aus dem Behandlungs-Menü, das man so auf keiner Speisekarte der Insel findet:
1. Die Aufnahmeprüfung: Das „Lanserhof Kur Classic“ Paket
Man kommt nicht einfach an und legt sich an den Pool. Man wird vermessen. Gründlich. Das ist der 100.000-Kilometer-Check. Blut wird abgenommen (und zwar nicht nur ein Tropfen), der Stoffwechsel gemessen, die Herzratenvariabilität geprüft. Ein Arzt, der vermutlich mehr über Sie weiß als Ihr Partner, setzt sich hin und erstellt Ihren persönlichen Schlachtplan für die nächsten Tage.
2. Der Star der Show: Die Diät (oder: Die Kunst des Kauens)
Das Herzstück. Sie zahlen auf Sylt einen Preis, für den Sie in Kampen einen Kleinwagen leasen könnten, um eines zu lernen: Kauen.
Vergessen Sie Fischbrötchen. Die Diät ist streng. Es gibt Stufen. Manche bekommen eine milde, köstliche Suppe. Andere bekommen… nun ja, altbackenes Brot (zum Trainieren des Kauens) und vielleicht einen Löffel Aufstrich.
Man sitzt im minimalistisch-perfekten Speisesaal (natürlich mit Wattenmeerblick) und lernt, 30 Mal zu kauen. Nicht 29. Nicht 31. Dreißig. Man lernt das Kauen in Zeitlupe, bis der Bissen zu flüssigem Nichts geworden ist. Es ist die teuerste und eleganteste Entschleunigung der Welt.
3. Die Kernsanierung: Alles für den Darm
Die Mayr-Kur ist darmsanierend. Und „sanieren“ ist hier wörtlich zu nehmen. Die Behandlungen, die Sie hier bekommen, sind das Elbphilharmonie-Konzert der Gastroenterologie.
Wir reden von ärztlichen Bauchbehandlungen. Wir reden von Detox-Drainagen, Leberwickeln und Elektrolyse-Fußbädern, die dem Körper angeblich die „Schlacken“ entziehen. Es ist das große innere Aufräumen. Es ist der Reset-Knopf für ein System, das jahrelang mit Seezunge in Hummersauce überlastet wurde.
4. Die Optimierung: Von Kälte, Nadeln und Licht
Wenn der Darm auf Kurs ist, kommt der Rest. Der Lanserhof ist ein Spielplatz der modernen Medizin.
- Die Kryotherapie (Kältekammer): Sie wollten schon immer mal bei -110°C in Badekleidung stehen? Hier dürfen Sie. Drei Minuten in der Kältekammer sollen Entzündungen hemmen, das Immunsystem boosten und glücklich machen. Es ist die teuerste Gänsehaut, die Sie auf Sylt bekommen können – und das bei einer Insel, die dafür eigentlich keine Kammer bräuchte.
- Die Infusionen: Während draußen die Heide blüht, blüht der Gast von innen. Es gibt Infusionen für alles: Energie, Immunsystem, „Glow“. Man liegt im Ruheraum und lässt sich die Vitamine direkt in die Vene tropfen.
- Spiroergometrie: Sie dachten, Sie atmen richtig? Falsch. Hier wird Ihr Atem gemessen, während Sie auf einem High-Tech-Fahrrad strampeln. Es geht um Effizienz.
Unser Sylter Fazit
Es ist leicht, sich über den Lanserhof lustig zu machen. Ein Ort, an dem man für den Preis einer Weltreise das Kauen lernt.
Aber wir Sylter verstehen das, auf unsere Art. Diese Insel war schon immer ein Ort der Extreme. Wir haben die rauesten Stürme und die teuersten Grundstücke. Wir haben die lautesten Partys in Kampen und die tiefste Stille am Ellenbogen.
Der Lanserhof ist einfach nur die logische Konsequenz dieses Prinzips. Er ist der extremste Luxus, den man sich vorstellen kann: Der Luxus des Verzichts. Der Luxus, sich selbst wichtiger zu nehmen als das nächste Event.
Es ist das ultimative Reizklima. Draußen peitscht der Wind, und drinnen wird der Darm entlastet.
Wir von der SPA bleiben derweil bei unserem Fischbrötchen. Wir kauen auch. Meistens drei Mal, dann muss es weitergehen. Aber wir winken liebevoll über den Deich nach List. Jedem das Seine. Und wer weiß, vielleicht bringt uns das optimierte Kauen ja alle ein Stückchen näher zur Erleuchtung. Oder zumindest zum nächsten Appetit.




















































































































