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Vogelkoje Kampen: Vom Überlebenskampf zur Oase der Stille

Kampen/Sylt Versteckt im dichten Grün zwischen Kampen und der Wattenmeerküste liegt ein Ort, der wie kaum ein anderer auf Sylt zwei völlig gegensätzliche Kapitel der Inselgeschichte erzählt: die Vogelkoje Kampen. Was heute ein idyllisches, fast verwunschenes Naturschutzgebiet und ein beliebtes Ausflugsziel ist, war über 150 Jahre lang ein Schauplatz des harten Überlebenskampfes – eine ausgeklügelte Todesfalle für Hunderttausende Wildenten.
Heute ist die Koje ein Symbol für den Wandel der Insel vom kargen Eiland zum Naturparadies.
Die Geschichte: Eine Falle aus Not geboren
Im 18. Jahrhundert war das Leben auf Sylt von Armut und Entbehrungen geprägt. Der Boden war karg, die See gefährlich. Auf der Suche nach neuen Einnahmequellen blickten die Sylter auf ein erfolgreiches Modell aus den Niederlanden: die „Vogelkoje“ (abgeleitet von „Kooi“, niederländisch für Käfig).
Im Jahr 1767 erhielt der Kampener Schiffer Johann von der Heide die königlich-dänische Erlaubnis, eine solche Anlage zu errichten. Das Prinzip war ebenso genial wie grausam:
Ein künstlich angelegter Süßwasserteich, abgeschirmt durch hohe Bäume und Wälle, diente als Lockmittel für rastende Wildenten. Von diesem Teich gingen vier gekrümmte, mit Netzen überspannte Kanäle ab – die sogenannten „Pfeifen“.
Der Kojenwärter nutzte zahme Lockenten, um die wilden Artgenossen in diese Pfeifen zu locken. Am Ende der sich verjüngenden Kanäle wartete eine Reuse und damit der sichere Tod. Es war ein Massenfang, der den Betreibern ein beachtliches Einkommen sicherte. Zwischen 1767 und 1921 wurden in der Kampener Koje nach Schätzungen weit über 600.000 Enten gefangen, in Spitzenjahren bis zu 25.000 Tiere.
Die Wende: Vom Fangplatz zum Schutzgebiet
Mit dem Aufkommen des Tourismus und einem veränderten Naturverständnis wurde der Entenfang unrentabel und gesellschaftlich nicht mehr akzeptiert. Im Jahr 1921 wurde der Betrieb eingestellt. Die Natur begann, sich das Areal zurückzuerobern.
Bereits 1935 – erstaunlich früh für die damalige Zeit – wurde die rund 10 Hektar große Kampener Vogelkoje zum Naturschutzgebiet erklärt. Damit begann ihre zweite Karriere als Refugium.
Die Bedeutung heute: Ein „Urwald“ für die Seele
Wer die Vogelkoje heute betritt, taucht in eine andere Welt ein. Unter einem dichten Blätterdach, das vom ältesten Erlenbruchwald der Insel gebildet wird, herrscht eine tiefe Ruhe, die nur vom Rauschen der Blätter und Vogelgezwitscher durchbrochen wird.
Die heutige Bedeutung der Vogelkoje ist dreigeteilt:
- Ökologisches Refugium: Die Koje ist ein unschätzbar wertvoller Trittstein für die Vogelwelt. Der windgeschützte Süßwasserteich und der alte Baumbestand bieten unzähligen Singvögeln sowie rastenden Zugvögeln im Frühjahr und Herbst Schutz und Nahrung.
- Kulturhistorisches Denkmal: Die Anlage wird heute vom Heimatverein Söl’ring Foriining betreut. In den 1980er Jahren wurden Teile der Anlage, darunter zwei Kojenhäuschen und eine der Fangpfeifen, originalgetreu rekonstruiert. Sie beherbergen heute eine kleine, aber eindrucksvolle Ausstellung, die die Geschichte des Entenfangs unblutig erklärt.
- Naherholungsziel: Ein Naturlehrpfad mit Informationstafeln führt Besucher durch das Areal und erklärt die einzigartige Flora und Fauna sowie die historische Nutzung. Die Vogelkoje ist ein Ort der Entschleunigung, der die raue Natur der Insel mit ihrer tiefen Kulturgeschichte verbindet.
Die Vogelkoje Kampen ist somit mehr als nur ein Park; sie ist ein lebendiges Museum, das daran erinnert, wie hart das Leben auf Sylt einst war, und ein Beweis dafür, wie wertvoll der Schutz dieser einzigartigen Natur heute ist.




















































































































